Sensible Zwischentöne der Menschlichkeit (Main-Post, 18.03.2009)
Würzburg. Das Würzburger Konzertleben ist nicht arm an leistungsfähigen Chören. Sie genügen zumeist höheren Ansprüchen, und die Messlatte bei größeren Kompositionen ist sogar erstaunlich hoch gesteckt. Bei den 41. Chormusiktagen begegnete man in einem geistlichen Konzert in der Franziskanerkirche drei respektablen Chorvereinigungen, die einen guten Namen haben.
Im Vergleich zu früheren Aufführungen haben diese Chormusiktage an Niveau beachtlich zugenommen. Dafür sorgte die Auswahl hochwertigerer Programme und die Zunahme jüngerer Chormitglieder, die eine unüberhörbare Frische in den Vortrag bringen. Gustav Gunsenheimer und sein Fränkischer Singkreis berührte gleich zu Beginn mit dem „Exsultate“ von Alessandro Scarlatti, dem „Kommet her, ihr Gesegneten“ von Melchior Franck und der Motette „Richte mich Gott“ von Mendelssohn-Bartholdy angenehm das Ohr, war doch deren Ausführung nicht nur tonlich präzise ausgearbeitet, sondern auch stilistisch sicher. Zwei Kompositionen Gunzenheimers rundeten seine Darbietungen ab. Mit den Motetten „Singet dem Herrn ein neues Lied“ und dem „Vater unser“ hatte der Dirigent auch als Komponist eine glückliche Hand. Vorbildlich in der homogenen Chorkultur, in der rhythmischen Prägnanz und in der engagierten Anteilnahme gestaltete der Singkreis sodann Leonard Bernsteins „Chichester Psalms“, begleitet nicht von einem ursprünglich vorgesehenen Orchester, sondern vom Klavier, das mit Heinz Dannenbauer am Instrument gut besetzt war. Er gestaltete seinen Part mit Einfühlungsvermögen, differenziertem Anschlag, geläufig und besinnlich zugleich. Sensible Zwischentöne der Menschlichkeit tun sich da in der Musik Bernsteins kund, seine tiefe Religiosität und seine starke emotionale Kraft. Der Polizeichor Würzburg unter Jürgen Pfarr sang auswendig und glänzte in diesem Konzert wieder durch seine männliche Würde, durch gestandene Größe und Klangpracht, die leise Mitteilungen nicht umging, der ein gesundes stattliches Klangvolumen beherrschte und in Bortnianskijs „Ich bete an die Macht der Liebe“, im „Vespergesang“ und in dessen altrussischen Gesängen den Esprit dieser nationalen russischen Musik stilvoll auskostete. Davon profitierte auch Mendelssohns „Hebe deine Augen auf“, wobei die höheren Stimmlagen einen geschmeidigen Wohlklang bewahrten. Viele junge Frauenstimmen Der Valentin-Becker-Chor unter der Leitung von Sebastian Glas ist mit auffallend vielen jungen Frauenstimmen besetzt, denen die Herren eine würdige und sonore Stütze garantierten. Mit Mendelssohns „Denn er hat seinen Engeln“, „Jauchzet dem Herrn alle Welt“ und „Wirf dein Anliegen auf den Herrn“ deckte dieser auch in jeder Phase gründlich geschulte Chor große Herausforderungen perfekt ab. Dazu kamen noch Bruckner und Rheinberger mit dem „Locus iste“ und dem stimmungsvoll gesungenen „Abendlied“ zur erhabenen Geltung. Auch in Zukunft werden Generationen von Chören und Zuhörern sich insbesondere der Musik Mendelssohns nicht verschließen können, weil sie bei guter Darbietung Aufmerksamkeit entfacht, zumal sie von einer überirdischen, kaum fassbaren Schönheit gefasst erscheint. Die A-cappella-Kultur der Chordisziplin beeindruckte durch die Schlankheit der Frauenstimmen, die sich mit den ausgewogen zusammenwirkenden Männerstimmen prächtig mischten und im Ausdruck den Geist stiller Demut und keuscher Ergebenheit widerspiegelten. Der melodische Schmelz dieser geistlichen Musik glitt bei überwiegend flüssigen Zeitmaßen nicht ins Sentimentale ab. Die Leitung und Moderation des Konzertes hatte Georg Viering.
Das nächste Konzert der Chormusiktage, dann mit weltlicher Musik, findet am Sonntag, 22. März, um 17 Uhr in der Musikhochschule statt.
Von Klaus Linsenmeyer
Main-Post, 18.03.2009